2024 SPURENSUCHE — Entdeckung der Kunst im Alltäglichen - TINA SCHWICHTENBERG und WOLF ART

2024 wurde die Reihe „art&friends“ mit „SpurenSuche – Entdeckung der Kunst im Alltäglichen“ fortgesetzt.

Tina Schwichtenberg und Wolf Art entdecken das Faszinosum der Kunst aus dem Abseits, die das Besondere im Gewöhnlichen und das Erhabene im Banalen der Alltäglichkeit sucht. Beide verbindet ein sensibles Gespür für das künstlerische Potential von banal scheinenden Motiven des alltäglichen Lebens oder anders ausgedrückt: sie verwandeln profane Motive mit Hilfe ihrer künstlerischen Techniken – Tina Schwichtenberg mit Malerei und Objektkunst, Wolf Art mit FotoGrafik – in Kunst und animieren die Betrachter, diese Transformation der Umdeutung nachzuvollziehen.

Zu entdecken gibt es u. a. die graphische Qualität von Linien und Flächen z. B. in Tiefgaragen, die ästhetische Anmutung von Bremsspuren auf Zebrastreifen, Altersspuren auf Hauswänden, Dunkelheit, vage Schattenrisse von Personen hinter Vorhängen oder vor Bäumen, die farbige Lebendigkeit grauer/„stiller“ Ecken, die Formen- und Farbendynamik von Klecksereien auf Straßen/Wänden, Risse oder Rostbildungen und Abschürfungen als Zeichen von Verfall und Vergänglichkeit. Der  Reichtum der Alltagswelt an Motiven für das künstlerische Auge scheint  unerschöpflich zu sein.

Es geht um die „Kunst der Wahrnehmung“ unüblicher Motive in zweierlei Hinsicht: als Sinnesleistung richtigen Sehens und Erkennens (kunstsinnige Perzeption) einerseits und als gestalterische Kompetenz, das Wahrgenommene als Metapher und Narrativ für die Konstruktion von Kunst einzusetzen und erlebbar zu machen.

Diese Vorgänge sind in höchstem Maße aktive Perzeptions- und Partizipationskunst, weil die Betrachter an den kreativen Prozessen der Wahrnehmung und Bewertung selbst beteiligt werden und sich dadurch als Künstler fühlen können. Durch ihre reflektierten Deutungs- und Interpretationsleistungen bei der Betrachtung der Kunstwerke verhalten sie sich wie die Künstler, die etwas Besonderes (anhand von Kriterien relevanter Kunst) aus dem Panorama banaler Beliebigkeiten des Alltäglichen herausheben und zu Kunst machen. 

 

2023 FlowerPower - wolf ART, Herbert W. H. Hundrich, Inge Rubbert

Die Ausstellung FlowerPower nimmt den Frühling zum Anlass, etwas Farbe in die trüben, krisengeschüttelten Zeiten zu bringen. Die Natur ist zu neuem Leben erwacht und entfaltet ihren Zauber mit frischem Grün und üppiger Blüten- und Farbenpracht. Hier bietet sich ein reicher Quell der Inspiration, das Farb- und Formenspiel künstlerisch umzusetzen – von naturalistisch bis abstrakt, impressionistisch bis explosiv.

Wolf ART arbeitet mit einer kreativen Symbiose analoger und digitaler Techniken, um seine Faszination vom Zauber der Blütenwelt auszudrücken. Seine PC-Collagen und FotoGrafiken entstehen im allgemeinen in einem künstlerischen Prozess aus drei Phasen: 1. analoger Entwurf (Zeichnung, Malerei, Collage) 2. Digital-Foto vom Entwurf 3. experimentelles Überarbeiten des Fotos mit verschiedenen digitalen Programmen.   

Herbert W. H. Hundrich, der viele Jahre in Sineu/Mallorca gelebt hat, hat 2003 seine Impressionen von mallorquinischem Frühling (primavera) und Sommer (verano) in einer ganzen Serie von Aquarellen zum Ausdruck gebracht. Zusätzlich zu der Vielfalt der malerischen Farb- und Formkompositionen sorgen die unterschiedlichen Texturen der verwendeten Papierarten für interessante Variationen. Eins ist allen gemeinsam: Man spürt in ihnen das Flirren des südlichen Lichts.

Inge Rubbert möchte die „Poesie“ der Blumen mit ihrer experimentellen Fotografie versinnbildlichen. Die Blüten sollen dabei nicht realistisch abgebildet, sondern in ihrer symbolischen Form- und Farbsprache gezeigt werden. Dass es sich dabei um Fotografie und nicht um Malerei handelt, ist – dank ihrer speziellen Art zu fotografieren, wobei sich die Konturen auflösen – kaum mehr zu erkennen. 

 

2022 Eröffnung der fineARTgalerie

Ludwigslust wird um eine Attraktion reicher. In der Schlossstraße 22 wird am Samstag, dem 26. 11. 22, um 11 Uhr die artGalerie eröffnet. Hier werden künftig – in Kooperation mit dem renommierten gemeinnützigen kulturforumPAMPIN – Ausstellungen und Veranstaltungen zur Förderung von Kunst und Kultur mit Niveau präsentiert. Die erste Ausstellung „...ES FÜGT SICH: zur Kunst der Collage“ mit ausgewählten Werken von wolf ART, Hellmut Martensen, Ralf-Rainer Odenwald und Ingeborg Rubbert gibt Einblick in die verschiedenen Techniken der Collage und hat gesellschaftliche Relevanz – sie verweist als Metapher auf die Zerrissenheit und Fragmentierung unserer im Umbruch befindlichen Gesellschaft.

 

...es fügt sich - zur Kunst der Collage / wolf ART, Hellmut Martensen, Ralf-Rainer Odenwald, Inge Rubbert

Zur Geschichte der Collage

Die Collage als Kunstgattung ist erst 100 Jahre alt, genau genommen 110 Jahre; als künstlerische Methode aber, nämlich als Zusammenfügen und Einfügen von Andersartigem in ein Werk, war sie schon vorher bekannt.

Das Wort kommt aus dem Französischen: colle für Leim - und dieses französische Wort ist dem Altgriechischen entlehnt, kolla hieß schon in der Antike „der Leim“. Es geht bei dieser Kunst also zunächst klassisch um Zerschneiden, Zusammenfügen oder Einfügen mit Leim oder Kleber.

Die Collage in der modernen Kunst beginnt mit dem wichtigen französischen Künstler George Braque (1882–1963), der mit Picasso (1881–1973) befreundet war. Er entdeckt 1912 in Paris zufällig eine braune Strukturtapete, die ihn inspiriert. Er erwirbt sie, schneidet sich daraus Papierstücke und klebt diese in eine Kohlezeichnung ein. Picasso ist begeistert und nun experimentieren sie beide mit dieser neuen Möglichkeit.

Aber Papierarbeiten sind anfällig, deshalb entwerfen sie Bilder bald als Collagen aus Papier, Zeichnung und anderem und setzen diese Bildideen dann in Ölgemälde um. Das hat den Kubismus erheblich beeinflusst und inspiriert: Das Zusammenfügen von Betrachtungen eines Gegenstandes aus verschiedenen Perspektiven und Facetten.

Gesellschaftspolitisch kam gleich danach die Zeit des 1.Weltkrieges mit seinen traumatischen Erfahrungen, auch für viele Künstler. Gleichzeitig war es eine Zeit bahnbrechender technischer und naturwissenschaftlicher Entwicklungen (Automobile, Radio, Flugzeuge, Elektrizität, Funktechnik, Relativitätstheorie). All das hat neue künstlerischen Reaktionen ausgelöst: Wichtig wurde dafür die Gruppe der Dadaisten, die alles infrage stellten und dazu auch die Kunst der Collage aufgriffen, nicht nur für Bilder, sondern auch für Dichtung, Literatur, Kabarett und Theater. Das setzte sich nach dem Krieg in den zwanziger Jahren fort: Die Methode des Zerschneidens von Altem und dem Zusammensetzen zu Neuem ist wie ein Sinnbild für das Zeitgefühl nach 1918. Das Alte, das Kaiserreich, sollte dabei nicht nur hinter sich gelassen und zerschnitten werden, sondern man wollte sich eine neue Welt bauen, eine gerechtere, offenere und demokratischere Welt. Wir wissen heute wie diese Visionen bald, 1933, bitter enttäuscht wurden und im Desaster endeten.

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Die Kunstgattung der Collage hat nach 1945 an Bedeutung zwar etwas verloren, ist aber nicht vergessen und wird auch jetzt noch weiterentwickelt. Ein wichtiger Künstler für die Bedeutung der Collage wurde vor allem Max Ernst, der von 1891-1976 gelebt hat. Er hat diese Kunst, auch in Ölgemälden, bei denen das Einarbeiten und Einfügen von Material höchst kunstvoll gestaltet ist, zu besonderer Qualität gesteigert und gleichzeitig den Surrealismus entwickelt.

Die Bedeutung der Collage für die Weiterentwicklung der modernen Kunst im 20. Jh. sollte nicht unterschätzt werden: auch die Objektkunst – ausgehend von den Assemblagen von Kurt Schwitters (1887–1948) – und die Rauminstallationen – inspiriert durch El Lissitzky (1890-1941) – entwickeln sich als Folge der Collage-Kunst.

In dieser Ausstellung hier sieht man an den so verschiedenen Bildern von vier Künstlerinnen und Künstlern, was damit heute unter anderem möglich ist:

  • Þ  klassische Arbeiten mit Papieren, Materialien, Schere und Kleister von Hellmut Martensen

  • Þ  Einarbeiten und Übermalen von Selbst-darstellenden Bildern aus dem Internet – übertragen in Öl- / Acrylbilder von Ralf-Rainer Odenwald

  • Þ  künstlerische Fotografie von collagierten bunten Papieren, auch in Kombination mit Gegenständen und dem Nutzen von Licht und Schatten - hier mit einer Figur - von Inge Rubbert

  • Þ  digitales Zerlegen - auch von analogen Arbeiten - und neues Zusammenfügen von fotografischen Elementen im Computer - von WolfArt und auch von Inge Rubbert

    Digitale Fotografie und digitales Weiterbearbeiten von fotografischem Material bieten heute ungeahnte neue Möglichkeiten. Allerdings gibt es dazu aus der analogen Fotografie, noch bearbeitet oder vorbereitet mit Schere und Kleber, schon Vorläufer aus früheren Jahren: Raoul Hausmann (1886-1971), Hannah Höch (1889–1978) und John Hartfield (1891–1968) sind dafür unbedingt zu nennen. Ihre Arbeiten unterscheiden sich aber noch sehr von den digitalen Möglichkeiten, die wir heute haben.

    Viel Vergnügen bei der Ausstellung.

    Verantwortlich für Text und Inhalt, 1-2023 Inge Rubbert, Dr. phil.

    atelier focus, Hamburg